Wolfgang Niesner
Geboren am 18.12.1925 in Freudenthal / Sudetenschlesien.
1942-43 Studium an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien, danach Soldatenzeit, Kriegsgefangenschaft, Heimatverlust.
1946 Neuansiedlung in Niederbayern 1947 erste Holzschnitte und Radierungen.
Ab 1950 als Graphiker freischaffend in München. Aufnahme in den Verein für Original-Radierung München e. V. (dessen Vorsitz er von 1975 bis 1981 innehat).
1955 erste Kupferstiche und Beginn eines Oeuvres zeitsatirischer / grotesker Scherenschnitte.
Ab 1968 Begegnungen mit Peintres-Graveurs in Paris.
Reisen u.a. nach Sylt, Irland, Cornwall, Kanada, Grado, ins Tessin.
Ab 1970 Atelier und Druckwerkstatt in München-Neuperlach.
Bildnerische Auseinandersetzung mit der Situation des Menschen in moderner Wohnwelt und mit Gegenwartserscheinungen in Zeichnung, Kupferstich, Schabkunst, Radierung, Malerei und Scherenschnitt.
Am 23.04.1994 gestorben in München.
Ein Augenmensch,
der überall, wo er sich befand, seine Umgebung zeichnerisch festhielt. Ob in einer Stadt oder in der Natur, im Theater, im Konzert, im Zoo, im Restaurant, in der Bahn, am Jahrmarkt ....... überall wurde gezeichnet. Besonders das Meer und Inseln hatte er geliebt.
Im Atelier dann wurde so manche Zeichnung in Kupferstich, Radierung oder Holzschnitt umgesetzt.
Der Zuzug in ein neues Stadtviertel Münchens mit gleichförmigen, eintönigen Wohnblocks war für ihn eine Herausforderung und setzte eine bildnerische Auseinandersetzung in Gang.
Dabei sind es vor allem Köpfe und Liegende, die die Wechselwirkung zwischen menschlich-organischer Körperform und Architekturgebilden aber auch darüber hinausweisende, mehrschichtig ausdeutbare Gegenwartserfahrungen reflektieren.
Mit seiner Ausdrucksfähigkeit in Augen und Mund ist der Kopf ja der wichtigste sichtbare menschliche Körperteil. Er dient in den Darstellungen zu allererst als Hinweis auf den Menschen und seine Zustands- und Empfindungsweisen. Die Rundungen und Wölbungen stellen das Äquivalent und die Komplementärform dar innerhalb einer gradlinigen Betonwelt aus Quadern, Kuben und Würfeln.
Ein Besucher im Atelier meinte zu diesen kritischen Bildern:
„Wirklichkeitswahrnehmung und Realitätsüberwältigung, Weltaneignung und Gegenwehr mit Stichel, Stift und Schere. Einer in seiner Zeit auf Beobachtungsposten, offen für Schönes und Bedrohendes in Natur und Unnatur, wie für die Situation und das Lebensgefühl von Menschen in Wohncontainern.
Seine Neigung zu Satire und Karikatur drückte Wolfgang Niesner in seinen Scherenschnitten aus. In ihnen ging es ihm um eine Art Ausbalancierung ähnlich der Wirkung des Satyrspiels, das die von der griechischen Tragödie erschütterten Besucher wieder versöhnt in den Alltag entließ.
Im weitesten Sinn waren die Arbeiten seiner letzten 20 Jahre Antwortversuche auf die Herausforderung einer an Schrecken wie Schönheit, Höhen und Tiefen überreichen Zeit.
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